Bereichernde Begegnungen

Im Jahr 2050 werden laut Prognosen 230.000 Österreicher:innen mit einer Demenz-Diagnose konfrontiert sein.

Von Daniela Martos

Daher ist die Frage dringlich, wie es Betroffenen in unserer Gesellschaft geht.

Oft werden Menschen mit unterschiedlichen kognitiven Einschränkungen gedanklich in eine stigmatisierende Schublade gesteckt. Man begegnet dann nicht mehr Persönlichkeiten, sondern der Demenz. Mitverantwortlich dafür sind Schreckensszenarien, die medial und gesellschaftlich heraufbeschworen werden. Was zur Folge hat, dass Ängste rund um unsere Endlichkeit geschürt und Hochbetagte, Menschen mit Vergesslichkeit* und Sterbende aus unserem Bewusstsein tunlichst ausgeblendet werden. Mit weitreichenden Konsequenzen für uns selbst: Wir nehmen uns damit bereichernde Begegnungen. Denn eine Beziehung zu alten Menschen entschleunigt und kann uns positive Leitbilder vermitteln, wie wir selbst alt werden wollen. Wir könnten entdecken, dass Menschen mit Vergesslichkeit auch poetisch, weise, charakterstark, mutig … sind.

Wir verzichten zudem auf unsere Chance, ein gutes Leben bis zuletzt zu führen. Denn dafür müssen wir heute, wo wir noch dazu in der Lage sind, unsere eigene Zukunft mitgestalten. Was braucht es dazu? Zuallererst die Bedürfnisse, Träume und Herausforderungen, die sich im Lauf eines Lebens eben ändern, in der Begegnung zu erfahren und Verständnis zu entwickeln. Unterziehen wir unsere Vorstellungen dem Realitätscheck, können sich Bilder breitmachen, die beruhigen und Neugierde wecken auf das, was das Leben mit sich bringt. Dann können wir vorausschauend aufbauen, was wir als Individuum und Gesellschaft an Rahmenbedingungen brauchen.

* Demenz bedeutet: ohne Geist. Wertschätzender ist: Menschen mit Vergesslichkeit

ZUR PERSON: Daniela Martos lebt mit ihrer Familie in der Josefstadt. Sie ist Mitbegründerin des Vereins Sorgenetz und koordiniert mit Gert Dressel die Caring-Community-Initiative ACHTSAMER 8. Sie ist Historikerin und Wissenschaftskommunikatorin und begleitet als psychosoziale Beraterin Hochbetagte und Menschen mit Vergesslichkeit.


Ausgabe 04/2021