Bildung in der Josefstadt

Wer etwas lernen möchte, ist in der Josefstadt genau richtig. Dicht an dicht drängen sich in den engen Gassen nicht nur Kindergärten und Schulen.Auch rund um die Freizeitgestaltung macht der achte Bezirk Lust aufs Lernen. Ob in Museen oder Tanzschulen, in Musikzentren oder in der Volkshochschule: Überall kann man sich richtig gut weiterbilden.

von Silke Rabus

Die Josefstadt ist ein Dorf!“ Maria Ettl weiß, wovon sie spricht. Seit bald 30 Jahren leitet sie das Bezirksmuseum, das sich in fünf Räumen und wechselnden Sonderausstellungen der Geschichte des flächenmäßig kleinsten Wiener Bezirks widmet. 1938 als Heimatmuseum gegründet, sind heute in der Schmidgasse Nr. 18 historische Stadtpläne und Fotografien genauso zu entdecken wie alte Skischuhe oder Theaterzettel. „Der Bezirk ist nur einen Quadratkilometer groß, hier fällt Vernetzung leicht“, erzählt die Museumsleiterin über die Josefstadt, die ihr ganz offensichtlich ans Herz gewachsen ist.

Kurze Wege im Bezirk

Die Wege sind also kurz. Manchmal sogar sehr kurz: Das Bezirksmuseum teilt sich das Gebäude mit der Volkshochschule Josefstadt, die im zweiten Stock seit mehr als 30 Jahren Kurse und Vorträge anbietet. Vom Spanischkurs bis zur Stimmbildung, vom Babyturnen bis zur Tanzwerkstatt leistet sie einen wichtigen Beitrag zum lebenslangen Lernen.

Viele Jahrzehnte lang war in der Schmidgasse 18 auch die Hauptbücherei der Büchereien Wien untergebracht, bevor sie 1970 in der Skodagasse im neu errichteten Haus des Buches ihre nächste Heimat fand. Auf dem spitzen Eckgrundstück hatte sich zuvor das Wiener Stadttheater befunden, in dem einst unter anderen Heinz Conrads und Peter Alexander auftraten. Heute wiederum sitzt die Direktion der Wiener Musikschulen in dem markanten Gebäude – nachdem die Hauptbücherei 2003 ihr neues Quartier am Gürtel bezogen hat. Das Bildungskarussell dreht sich einfach immer weiter.

Lernen einst und jetzt

Wieso hier überhaupt so viel vom Bezirksmuseum und von Bildungsinstitutionen die Rede ist, hat einen Grund: „Jedes Jahr gibt es einen Tag der Wiener Bezirksmuseen, an dem sich alle 23 Standorte und sechs Sondermuseen der Öffentlichkeit präsentieren“, erklärt Maria Ettl. Und da diesmal Bildung das Generalthema ist, hat sich die Museumsleiterin etwas Besonderes ausgedacht. „Bildung ist etwas für junge Leute und deshalb sollten sich auch junge Leute etwas überlegen.“

Der Kontakt zur Vienna Business School am Hamerlingplatz war schnell geknüpft und so gestaltete erstmals eine Schulklasse die jährliche Sonderausstellung des Josefstädter Bezirksmuseums. Unter Anleitung ihrer Lehrerin Karin Stummvoll recherchierten 18 Schülerinnen und Schüler mit dem Ausbildungsschwerpunkt Eventmanagement wochenlang rund ums „Lernen in der Josefstadt einst und jetzt“, wie der Untertitel der Ausstellung heißt. „Wir haben die Texte für die Schautafeln geschrieben, Vitrinen gestaltet, Kontakte zu den Schulen geknüpft, uns um die Bewerbung und das Eröffnungsbuffet gekümmert“, berichtet die Wirtschaftspädagogin.

Auch über „ihre“ Schule weiß Karin Stummvoll Spannendes zu berichten. „Die Vienna Business School ist eine Dachmarke für sechs Privatschulen und gehört dem Fonds der Wiener Kaufmann-schaft“, erzählt sie über die unter Denkmalschutz stehende und 1908 eröffnete Handelsakademie: „Im gleichen Gebäude befindet sich noch eine weitere Vienna Business School. Früher lag in der Schönborngasse die Mädchenschule und am Hamerlingplatz die Schule für die Burschen“, so Karin Stummvoll. „Als dann in den 1970er-Jahren der gemeinsame Unterricht von Mädchen und Burschen eingeführt wurde, blieben trotzdem beide Schulen eigenständig bestehen.“

Alte schwarzweiss Fotos von Schüler: innen

Bildung mit Tradition

Bildung hat in der Josefstadt eine lange Tradition. Schon 1701 gründete der Orden der Piaristen eine Volksschule am heutigen Jodok-Fink-Platz, im selben Jahr eröffnete mit dem späteren Piaristengymnasium hier zudem die zweitälteste höhere Schule in Wien. „Die Piaristen wurden als Schulorden gegründet, damit nicht nur reiche, sondern auch arme Kinder unterrichtet werden konnten“, erzählt noch einmal Maria Ettl. Und so richteten die Piaristen ab 1732 sogar einen unentgeltlichen Unterricht für arme Kinder ein. Abgehalten wurde er vom Totengräber des Ordens, weil dieser wohl besonders schön schreiben konnte.

Die erste öffentliche und allgemeine Schule in der Josefstadt, die sogenannte Ochsenschule, wurde dann 1777 in der Florianigasse 29 eröffnet – und am selben Ort 1875 auch der erste Kindergarten im Bezirk. Die Mädchen dieser Schule zogen übrigens 1823 von der Florianigasse in die Lederergasse 8 und von dort 1856 weiter in das Josefstädter Gemeindehaus in der Schmidgasse 18 – eben dorthin, wo sich heute das Bezirksmuseum befindet.

Die Freie Schule als Reformprojekt

Auch die sogenannte Freie Schule hat eine besondere Geschichte, über die Heinz Weiss, der langjährige Geschäftsführer der Wiener Kinderfreunde, sogar ein ganzes Buch mit dem Titel „Mehr Licht für alle“ geschrieben hat. „Die Freie Schule ist eine reformpädagogische Vorläuferin der modernen Schule des 20. Jahrhunderts“, erzählt er: „Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts wollte man den Schulunterricht rigoros reformieren – weg vom kirchlich-autoritären Erziehungsstil hin zu einer neuen Pädagogik, die ausschließlich das Kind in den Fokus rückt.“

Dazu brauchte es nicht nur aufgeklärte Lehrkräfte, sondern auch moderne Gebäude. Und so gründeten Anfang des 20. Jahrhunderts Bürgerinnen und Bürger den Verein „Freie Schule“, sammelten viel Geld und eröffneten 1910 in der Albertgasse 23 ein neues Schulhaus: „Es gab große Fenster in den Klassenzimmern, breite Gänge, einen Turnsaal, Duschen, ein Fotolabor und sogar eine Dach-terrasse“, berichtet Heinz Weiss. „In den Klassen wurden nicht mehr als 25 Kinder unterrichtet und außerdem Mädchen und Buben gemeinsam. Das war für die damalige Zeit beinahe unvorstellbar.“ Heute haben die Kinderfreunde, die schon 1920 mit dem Verein „Freie Schule“ fusionierten, im Haus ihr Büro.

▶ Buchtipp: Heinz Weiss: „Mehr Licht für alle: Freie Schule – die angesagte Option“. ISBN: 9783903989238. echomedia buchverlag (2021)

Für alle etwas

„Die Josefstadt ist ein kleiner Bezirk, und doch existieren dort wirklich viele Bildungseinrichtungen“, ergänzt die Vienna-Business-School-Lehrerin Karin Stummvoll. Und tatsächlich: Derzeit gibt es im Bezirk vier Volksschulen, eine Neue Mittelschule, drei Gymnasien und vier berufsbildende Schulen. Dazu kommen viele Veranstalter, die Bildungsangebote für die Freizeit machen. Eines davon ist das Musische Zentrum Wien, das Kinder und Jugendliche dazu einlädt, in die Welt von Tanz, Theater, Musik und bildender Kunst einzutauchen. „Wir wollen Begeisterung und Selbstbestimmung auslösen, gemeinsam Grenzen ausloten, mit Neugier und Lust den kreativen Austausch suchen“, sagt Gudrun Schweigkofler Wienerberger, Leiterin des Hauses, das eine Einrichtung des Vereins Wiener Jugendzentren ist. Das Gebäude in der Zeltgasse 7 – wegen eines Umbaus befindet sich das Musische Zentrum Wien derzeit in einem Ausweichquartier in der Döblergasse 2 – beherbergte in den 1970er-Jahren übrigens das „Haus der Jugend“, das damals größte Jugendzentrum der Stadt. „In dem Haus gingen unzählige junge Künstler:innen ein und aus, es war immer schon ein Ort der Kreativität und des Austauschs.“ Diese Beschreibung passt auch ziemlich gut auf das „Bildungsdorf “ Josefstadt – ein Ort der Kreativität und des Austauschs.

Zum Artikel: „Bildung an jeder Ecke“

Ausgabe 01/2023