Ein Musikbeisl wird 40!

Der legendäre „Tunnel“ feiert sein 40-jähriges Bestehen. Dafür wird die Florianigasse von 16. bis 18. September drei Tage lang für den Verkehr gesperrt und in ein Festivalgelände verwandelt.

Von Elisabeth Hundstorfer

Wer als Student:in Anfang der 1980er-Jahre nach Wien kam, landete in der Regel früher oder später in der Florianigasse. Grund war das damalige „Beislerwachen“ – und der 1981 eröffnete „Tunnel“ gehörte zu den Top-„Clubs“, wie man heute sagen würde. Die unmittelbare Nähe zur Universität und dass man hier schon Hummus kredenzte, als „vegan“ noch nicht zum alltäglichen Wortschatz gehörte, ließ ihn rasch zu einem der populärsten Szenebeisl werden – und zu einem der führenden Lokale, um als Student:in gut, preisgünstig und ausreichend zu speisen … und natürlich zu trinken! Es gab aber noch einen weiteren wichtigen Grund für einen Besuch: Nach einem großen Teller Spaghetti (davon gab es diverse Variationen) konnte man am Abend im Keller – oft bei freiem Eintritt – großartige Livemusik genießen und bei den meist gut besuchten Sessions sogar selbst musizieren. Viele österreichische Musikgrößen starteten hier ihre Karriere. Die Rounder Girls, Gottfried Gfrerer, Peter Ratzenbeck oder Al Cook standen regelmäßig auf der Bühne. Der „Tunnel“ war für eine ganze Generation ein Fixpunkt der Wiener Musikszene. Hier nahmen auch Festivals wie das Klezmore Festival oder der Vienna Blues Spring ihren Anfang.

Der Vater des „Tunnel“, der Syrer Fayez Chlache, führte den legendären Musikclub 30 Jahre – bis zu seinem Tod 2012. Über Fayez gäbe es viel zu erzählen: Als Technik-Student nach Wien gekommen, jobbte er bei Udo Proksch im Demel. Seine Sicht zum Fall Lucona schilderte er 1990 in dem Buch „Hauptquartier Demel – im Auftrag Herr Udo“. Aber das ist eine andere Geschichte.

Seit 2015 ist es nun Hans Litsauer – seit 2016 unterstützt von seiner Tochter Barbara –, der österreichischen Musiker:innen im „Tunnel“ eine Heimat gibt. Der gebürtige Josefstädter ist schon mit Bluesgrößen wie Erik Trauner – der seinerseits als Frontmann der legendären Mojo Blues Band einst die Ö3-Charts stürmte – in die Schule gegangen. Eine andere Blueslegende ist Hans Theessink: Er gehörte bereits zum Line-up des 10-Jahres-Festes und gibt nun, 30 Jahre später, am 2. November wieder ein Konzert im „Tunnel“.

Mit dem großen Drei-Tage-Straßenfest knüpfen die Litsauers dort an, was schon beim 10-jährigen Jubiläum ein Anliegen war – eine autofreie Florianigasse namens „Floriani-Delta“. Der Name erinnert an die Ausgehmeile „Bermuda-Dreieck“ im Ersten, es schwingt aber auch ein bisschen Delta-Blues mit. Bereits vor 30 Jahren gab es die großartige Vision eines musikalischen Ausgehgrätzls ohne Autos für die Josefstadt. Das „Tunnel“-Jubiläumswochenende spielt sozusagen die Zukunftsmusik aus vergangenen Tagen weiter.

Hans Litsauer und seiner Tochter Barbara ist es gelungen, ganz große heimische Acts, etwa das Kollegium Kalksburg, für den „Tunnel“ zu gewinnen. Aber nicht nur Musiker:innen, sondern auch Künstler:innen, die man aus Theater und TV kennt, sind dabei und auch die Literatur wird jetzt wieder ganz groß geschrieben. Immerhin hatte der Österreichische Buchklub der Jugend von 1948 bis 1979 seinen Sitz in diesen Räumlichkeiten. Das Herbst-Programm liest sich wie das Who’s Who der heimischen Theaterbühnen: Erika Pluhar, Wolfram Berger, Adi Hirschal oder Heinz Marecek werden sich quasi die Klinke in die Hand geben. Besondere Highlights werden Beatrix Neundlinger mit dem Besten aus der „Proleten-Passion“ und Musikalisches sowie Literarisches von Akkordeonist Otto Lechner und seiner Frau, der Schauspielerin Anne Bennent, sein.

Zum 40er kann man dem „Tunnel“ und dem engagierten Vater-Tochter-Gespann Litsauer nur gratulieren – es ist ihnen gelungen, das Lokal nach einer langen Durststrecke wieder als einen der besten „Clubs“ in der Stadt zu etablieren.

Davon kann man sich vom 16. bis 18. September überzeugen, denn man wird zwischen Lederergasse und Fuhrmanngasse ganz viel großartige Musik weit über die Florianigasse hinaus hören. So steht am ersten Tag der Blues im Mittelpunkt. Mit Peter Kern, der seine Wurzeln im „Tunnel“ hat, wird einer der besten Bluessänger und Gitarristen auf der Bühne stehen und Oliver Gruen wird am Abend eine der beliebten Blues & Roots Music Sessions leiten. Der zweite Tag steht im Zeichen der Weltmusik. Der Sänger Prince Zeka, ein Josefstädter Lokalmatador, wird mit Mista Barega und Afro-Sunshine-Reggae die Sonne über der Open-Air-Party aufgehen lassen. Die Tschuschenkapelle steht ebenfalls im Rampenlicht – wohl eine der beliebtesten Musikformationen der letzten 30 Jahre in Wien. Der dritte Tag gehört den Newcomer:innen wie der Band Esterhazy, die mit „Ibiza“ erstmals so richtig aufhorchen ließen. Auch Greyshadow erobern gerade die Musikwelt und wurden sogar schon von der BBC vorgestellt. Herzlichen Glückwunsch!

▶ Tunnel Vienna Live, 8. Florianigasse 39. +43 1 990 44 00
Mo–Sa 9–02h, So 9–24h
www.tunnel-vienna-live.at

16/09/2022

16–18h Arthur Fandl Quintett „Blues and more“
18–20h Peter Kern Trio
20–22h Blues & Roots Music Session
hosted by Oliver Gruen

17/09/2022

14–16h Orchestra Aleksandar
16–18h A Tribute to Bob Dylan, Dany Chicago
18–20h Mista Barega (Prince Zeka)
20–22h Wiener Tschuschenkapelle

18/09/2022

14–16h IVIES
16–18h Sun State of Mind
18–20h Greyshadow
20–22h Esterhazy

 

„Mojo Blues Band“-Doku

Ein sehr bewegendes Zeitdokument unter dem Motto „The Blues will never die“ wurde in akribischer Kleinarbeit aus privaten und ORF-Archiven zusammengetragen. Anhand des Werdegangs der 1977 gegründeten Mojo Blues Band wird auch die jüngere österreichische Musikgeschichte nachgezeichnet. Die Dokumentation über eine der erfolgreichsten Bands Österreichs mit dem Titel „Blues Is The Healer!“ ist jetzt auf DVD erhältlich.

Natürlich ist der Josefstädter Erik Trauner mit seiner Mojo Blues Band nach rund 5.000 Auftritten und 45 Jahren auch weiterhin „on the road“. Nächster Auftritt am 8. September 2022 auf der Praterbühne.

Erik Trauner und Siggi Fassl: 29/09/2022, 18h. Café Hummel: 8., Josefstädter Straße 66.
Erik Trauner solo: 13/10/2022, 17h. Ludo-Hartmann-Hof (derAchte): 8., Albertgasse 13–15.
www.mojobluesband.com

Ausgabe 03/2022