Hochherrschaftliche Stadtwohnhäuser

Es gibt viele wunderbare Häuser in der Josefstadt, die durch ihr imposantes Erscheinungsbild bestechen und den Bezirk bis heute prägen. „derAchte“ wird sich regelmäßig auf Spurensuche nach Juwelen der Baukunst im Achten begeben.

Dieses Mal führt uns ein kurzer Spaziergang (rund 20 Min.) zu eindrucksvollen Häusern, die allesamt von jüdischen Architekten geplant wurden. Obwohl diese Prachtbauten in unmittelbarer Nähe zueinander liegen und innerhalb weniger Jahre vor dem Ersten Weltkrieg errichtet wurden, sind sie sehr unterschiedlich und spiegeln so auch die Vielfalt der Josefstadt wider.

Barockes Formenrepertoir

Unser Rundgang beginnt im Herzen des Achten – an der Ecke Albertgasse/Florianigasse. Hier, wo die Straßenbahnlinien 5 und 33 um die Ecke rattern, befinden sich zwei mächtige Wohnhäuser. Das Haus Albertgasse 34, das 1909 vom Architekten Ernst Ornstein geplant wurde, zeichnet sich durch ein barockes Formenrepertoire mit zartgliedriger Schmuckornamentik sowie klassizistisch anmutenden Blattgirlanden, Porträttondos und Maschendekor aus, das an secessionistische Elemente erinnert.

Überquert man die Kreuzung, steht man auf dem kleinen Vorplatz der Albertgasse 36. 1901/1902 errichtete Jakob Gartner ein äußerst repräsentatives Gebäude mit Balkonen. Das Eckhaus teilt die Albertgasse und die Florianigasse. Gartner errichtete vor allem Synagogen und plante die Anlage des neuen jüdischen Friedhofs am Wiener Zentralfriedhof.

Im Anschluss auf Nr. 38 befindet sich die Bildungsanstalt für Elementarpädagogik. Das einstige Mädchengymnasium, 1914 von Viktor Postelberg errichtet, trägt an der sonst schmucklosen Fassade figürliche Steinreliefs mit Allegorien von Weisheit und Fleiß.

Villenartige Wohnqualität

Geht man die Florianigasse weiter, erreicht man nach wenigen Metern die Skodagasse. Vor der Skodagasse 15, der ehemaligen Pension Baltic, steht ein riesiger Kran. Das vom Architekten Árpád Mogyorósy 1912/1913 entworfene Gebäude wird gerade totalsaniert und zu einem modernen Wohnhaus mit einem Dachgeschoßaufbau umgebaut. Auch das Haus Nr. 19 (1913/1914), in dem sich das legendäre Cowboystiefel-Geschäft „Boots“ befindet, wurde von Mogyorósy geplant. Die Dekoration verbindet Secessionsmotive mit teils barocken, häufiger aber klassizierenden Schmuckelementen. Bei diesen meist auf tiefen Parzellen errichteten Häusern konnte der Architekt die weniger geschätzte Hofseite aufwerten. Durch den Bau von Veranden, Balkonen und Wintergärten mit viel Grün erzeugte er eine neue, villenartige Wohnqualität. Technisch auf dem letzten Stand wurden diese in Eisenbeton gebaut.

Geht man die Skodagasse wieder zurück bis zur Krotenthallergasse, stechen einem sofort zwei wunderschöne schmiedeeiserne Lampen auf Nr. 8 ins Auge. Hier befindet sich eine besondere Perle der Baukunst von Wilhelm Fraenkel, der in der Tradition der großen Ringstraßenarchitekten stand.

Dieses Haus, das auch sein Atelier beherbergte, errichtete Fraenkel relativ spät (1904–06) für sich selbst. Die Fassade zeigt erstmals Elemente des französischen Jugendstils. Er lebte hier bis zu seinem Tod 1916 im Alter von 72 Jahren.

Seine hochherrschaftlichen Stadtwohnhäuser und bedeutenden Hotelanlagen fanden breite Anerkennung, wurden seither allerdings großteils entweder zerstört oder verändert. Nur das heute noch bestehende Hotel Sacher ist außen relativ unverändert geblieben.

Frühe Wiener Moderne

Biegt man fast am Ende der Krotenthallergasse rechts in die Kupkagasse, sieht man schon von Weitem die Fahnen der Vienna Business School am Hamerlingplatz wehen. Neben dem denkmalgeschützten Haus befindet sich an der Adresse Hamerlingplatz 4 (1905) ein sehr hübsches Eckhaus mit entzückenden Schmiedeeisen-Balkönchen und einer wunderschönen Eichenholz-Eingangstür. Dieses sowie das Haus daneben in der Kupkagasse 4 (1901)stammt von Arthur Baron. Mit seinen funktionalistischen Tendenzen zählte Arthur Baron zu den bedeutendsten Vertretern der frühen Wiener Moderne vor dem Ersten Weltkrieg.

Vorbei an Kinderspielplatz und Parkanlage gelangt man zum großes Eckhaus Hamerlingplatz 10 (1906). Heute befindet sich im Untergeschoß der Kindergarten Mary Poppins . Geplant wurde das Gebäude von Adolf Oberländer, der sich vom Maurer aus der Provinz zum erfolgreichen großstädtischen Architekten hocharbeitete.

Gutbürgerlichen Fassaden

Den Endpunkt unserer kleinen Tour bilden die Wohnhäuser Skodagasse 1–3 (ehemals Hamerlingplatz 1) aus dem Jahr 1909.

Im Atelier von Arnold Karplus entstanden gutbürgerlichen Fassaden, deren Formensprache von der Wiener Werkstätte ebenso wie – im Bereich der Erker und Giebel – von der Heimatschutzbewegung beeinflusst wurde.

Das hellblaue, frisch sanierte Gebäude Skodagasse 1 leuchtet mit seinen roten Dachziegelchen, die liebevoll auch als Fensterbretter verwendet wurden, mit den herrschaftlichen Häusern, die den Hamerlingplatz säumen, um die Wette. Nur das Zwillingshaus Nummer 3 wartet noch darauf, aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst zu werden.

Im Haus Skodagasse Nummer 1 wohnte niemand Geringerer als der einstige Bundespräsident Adolf Schärf. Er war von 1936 bis 1945 als Rechtsanwalt tätig. 1938 bot ihm der sozialdemokratische Rechtsanwalt und vormalige Abgeordnete Arnold Eisler vor seiner Emigration seine Wohnung und Kanzlei in der Skodagasse 1 zur Übernahme an; Schärf wohnte dort bis zu seinem Tod 1965.

Im April 1945 war Adolf Schärf einer der Teilnehmer an den Verhandlungen zur Wiederherstellung der Republik Österreich. Als Vizekanzler (bis 1957) nahm er mit Julius Raab, Bruno Kreisky und Leopold Figl an den Staatsvertragsverhandlungen teil. Nach dem Tod Theodor Körners wurde Schärf am 5. Mai 1957 zum Bundespräsidenten gewählt und lehnte es ab, in eine Amtswohnung zu übersiedeln.

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Side Steps

Dichterfürst Robert Hamerling

Der Hamerlingplatz entstand auf einem großen Teil des Areals der 1903– 1910 demolierten Josefstädter Kaserne. Nicht nur in der Josefstadt, sondern auch im Waldviertel hat sich eine Diskussion um den Namensgeber Robert Hamerling (1830–1889), einen der bedeutendsten Dichter seiner Zeit, entfacht. In ihrem Buch über den Mythos Robert Hamerling hinterfragt die Kunsthistorikerin Ilse Krumpöck den Dichterfürsten. Ihr Vorwurf: Hamerling, der bereits zu seinen Lebzeiten als Antisemit und Frauenfeind galt, war ein „Geburtshelfer“ für die Verbrechen im Holocaust. Der Josefstädter Kulturausschuss hat daher beschlossen, alle Gedenktafeln mit dem Zusatz „Sehr problematisch waren seine antisemitische Grundhaltung sowie seine negative Einstellung zu Frauen“ zu versehen.

„Steine der Erinnerung“

Durch das Anbringen von Messingtafeln – meist in das Trottoir vor Wohnhäusern eingelassen – gedenkt der Verein „Steine der Erinnerung“ der Vertreibung und Ermordung des jüdischen Teils der Bevölkerung Wiens während des Nationalsozialismus. In der Josefstadt lebten einst 6.000 Juden – heute sind es nur noch knapp 150. Die Autorin Irmtraut Karlsson hat die Schicksale vertriebener Josefstädter in ihrem 2018 erschienen Buch „Wege der Erinnerung“ aufgearbeitet. Das Buch dient als Stadtplan und bietet den Begleittext zu den „Steinen der Erinnerung“ und den Gedenktafeln im Bezirk. Vier Spaziergänge nehmen Familien, Prominente und Kaufleute unter die Lupe, die einst hier zu Hause waren. Das Buch ist im Josefstädter Czernin Verlag erschienen.

www.czernin-verlag.com

Das stille Örtchen

Die einen finden es belustigend, die anderen notwendig – öffentlich und doch privat ist die WC-Anlage des Hamerlingparks. Wer bei unserem Spaziergang nach einer Toilette Ausschau hält, kann jene im veganen Lokal „deli bluem“ auch ohne Konsumation gratis benützen. Der Bezirk hat mit dem Gastronomiebetrieb eine Nutzungsvereinbarung für die Toilettenanlagen geschlossen, da die Situation im Hamerlingpark mit der unattraktiven mobilen Toilettenanlage für die Parkbesucher, speziell jene mit Kindern, nicht zufriedenstellend war. Wahrscheinlich eine Win-win-Situation für beide Seiten – und natürlich für alle, die dringend ein sauberes stilles Örtchen benötigen.

www.bluemcatering.com

Josefov – die Prager Josefstadt

Josefov ist ein Stadtteil im Norden der Altstadt der tschechischen Hauptstadt. Die historische Prager Judenstadt (Židovské Město pražské) entstand im 13. Jahrhundert und entwickelte sich zu einer der bedeutendsten in Europa. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts machten Juden ein Viertel der Prager Bevölkerung aus. Das Toleranzedikt von Kaiser Joseph II. garantierte die Religionsfreiheit. Ihm zu Ehren wurde der Stadtteil Josefov (Josefstadt) genannt. Mit der Verleihung der Bürgerrechte an die Juden im Jahr 1848 konnten sich Juden auch in anderen Stadtteilen niederlassen. Um 1900 wurde das alte Viertel großteils abgerissen und es wurden neue Wohnbauten im Jugendstil errichtet. In Prag sind mehrere Synagogen sowie der Alte Jüdische Friedhof erhalten.


Ausgabe 01/2020