„Ich koche im Kopf mit“

Was wäre die Josefstädter Straße ohne die roten Äpfel und Paradeiser, die grünen Bohnen und Kräuter, die gelben Zitronen und Melonen des einzigen Obst- und Gemüsegeschäfts? Angela Malaev drapiert täglich mit ihrem Mann Peter die Kisten mit frischer Ware liebevoll vor und im Geschäft – für jede/n nicht nur ein Augenschmaus.

„Seit 37 Jahren sind wir in der Josefstadt“, so die aparte Frau. Kurz verschwindet sie in den Tiefen des schmalen Geschäfts. Sie frittiert noch schnell Brokkoli, denn es wird nicht nur rohes Obst und Gemüse feilgeboten, sondern auch gebackenes Gemüse, Falafel, Hummus und vieles mehr.

Und was hat Angela Malaev in die Josefstadt geführt? Die Liebe … Ihr Mann Peter kam bereits mit 16 Jahren aus Israel mit seiner Familie nach Wien. „Wir kannten uns schon als Jugendliche und haben den Kontakt fünf Jahre lang über eine Brieffreundschaft gepflegt. Dann kam ich aus Israel zu Besuch nach Wien. Ich dachte nicht, dass ich für immer hierbleibe. Wir haben geheiratet und ich bin zu ihm auf die Josefstädter Straße gezogen. Beim Vorbeigehen hat uns der Greißler unseres heutigen Geschäfts angesprochen, ob wir nicht seinen Laden übernehmen wollen.

Ich weiß bis heute nicht, wieso er ausgerechnet uns angesprochen hat. Wir waren frisch verheiratet und wollten uns etwas aufbauen. Mein Mann ist gelernter Goldschmied und ich bin eigentlich Krankenschwester. Ich kannte nicht einmal die Gemüsenamen auf Deutsch. Unser Vorgänger hat uns wirklich sehr geholfen – er hat uns zwei Monate lang eingeschult. Leider stehen heute die Leute nicht mehr ab 7 Uhr Schlange vor unserem Geschäft, das ist nicht nur Corona geschuldet, sondern auch den Bauern- und Supermärkten“, so die Mutter von drei Kindern und Großmutter von fünf Enkelkindern.

„Unsere Ware holen wir zwischen März und Oktober direkt von Bauern ab Hof in Aspern, sonst vom Großmarkt Inzersdorf. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen wieder mehr kochen. Warm gehaltene Speisen vom Lieferservice können nie so gut schmecken wie Selbstgemachtes. Ich gebe meinen Kunden:innen auch gleich eine Kochanleitung und Rezepte mit auf den Weg, das gehört zum Service – viele wissen gar nicht, wie man Gemüse frisch zubereitet. Wenn jemand mit einer Einkaufsliste kommt, weiß ich sofort, für welches Gericht eingekauft wird – ich koche immer gleich im Kopf mit.“

Und was schätzt sie an der Josefstadt? „Dass jeder jeden kennt und in meinem Fall auch die Familienbande. Der Bruder meines Mannes betreibt die Schusterei nebenan und meine Schwägerin das Zuckerlgeschäft gegenüber. Ich liebe diese kleine, kompakte Straße. Ich mache auch meine Einkäufe hier.“ Einkaufstipp der Redaktion: Frau Malaev verkauft in ihrem Gemüseladen auch selbst eingekochte Marmeladen, wie Orange oder Quitte mit Ingwer, sowie Mango-Chutney und eingelegte Melanzani.

Ausgabe 01/2022