Klasse statt Masse

„Oh, der Herr Schatzer von der Eisenwarenhandlung auf der Josefstädter Straße“, sagt eine Bürger:innen-Redakteurin, die während unserer Unterhaltung mit dem Protagonisten dieses Beitrags zufällig den Kopf ins Zimmer steckt. „Bitte nie zusperren!“, fügt sie noch an. Steht die 1864 gegründete Eisenwarenhandlung vor dem Aus?

Ewald Schatzer hat das Geschäft 1999 von seinem Schwiegervater übernommen. „Das war eigentlich nicht geplant. Ich habe Wirtschaft studiert und hatte ganz andere Pläne. Hätte ich es damals nicht übernommen, würde es das Geschäft heute nicht mehr geben – niemand hatte Interesse daran oder glaubte, dass man auch in Zukunft davon gut leben kann.“

Herr Schatzer hat sich den Spruch „Klasse statt Masse“ auf die Fahnen geheftet – und das hat ihn gut durch die letzten Jahrzehnte gebracht. Mit Corona erlebte das Geschäft einen wahren Hype. Hier bekommt man auch so gut wie alles – von Schrauben, Besen und Kochgeschirr über Schaufeln oder Einkaufswagerln bis zu Blumentöpfen, Dichtungsringen und Mitteln gegen Schädlinge. Manches zu „Apothekerpreisen“, aber unter dem Strich fährt man in der Regel besser als mit billiger minderwertiger Massenware aus Asien. Die Qualität wird bei „Grandia“ – so der offizielle Name der Eisenwarenhandlung – großgeschrieben und lokale Produzent:innen werden präferiert.

Betritt man das Geschäft, auf dem in großen blauen Lettern EISENWAREN – KÜCHENGERÄTE auf retroorangem Hintergrund steht, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Faszinierend sind die großen, prall gefüllten Regale und die vielen Laden – die Einrichtung stammt aus den 1950ern.

Auch Ewald Schatzer scheint etwas aus der Zeit gefallen – zumindest, was manche nostalgisch anmutenden Ansätze betrifft, die er unter dem Titel „das Richtige“ umsetzen möchte. Die Suche nach ebenso enthusiastischen Mitstreiter:innen im Bezirk blieb bislang aber erfolglos. Obwohl etwa sein Pilotprojekt „Nahversorgung – nachhaltig 60“ – es zielt darauf ab, dass alles, was wir brauchen, in Fußdistanz erreichbar sein soll – durchaus seine Berechtigung hat. Aber wieso 60?

Laut dem in Gersthof „am Dorfplatz“ aufgewachsenen Eisenwarenhändler war damals (in den 1960er-Jahren) alles schon da – wir müssten quasi nur „die gute alte Zeit“ wieder in unser Grätzl, sprich die Josefstadt, holen, um uns und der Welt ein nachhaltiges, zufriedenes Leben zu sichern.

Mittlerweile denkt Ewald Schatzer an die Pension und ist darum jetzt auf der Suche nach einer/m geeigneten Nachfolger:in. Natürlich schwebt ihm vor, dass das Geschäft jemand übernimmt, der aus demselben Holz geschnitzt ist wie er. Jemand, der bereit ist, nach einer intensiven Einschulung mit fundiertem Fachwissen Kundinnen und Kunden ausführlich zu beraten – und der das Motto „Klasse statt Masse“ nicht umdreht. Definitiv eine Chance für ein nachhaltiges Berufsleben!

▶ Infovideo: Herrn Schatzers „Nachhaltige Josefstadt“ www.dasRichtige.at

▶ Grandia. 8., Josefstädter Straße 50/EckeSchönborngasse www.klassestattmasse.at

Ausgabe 03/2022