Kleines Theater ganz gross

Marie Mandelbaum und Jörg Klettenheimer sind gemeinsam „die Klettenheimers“! Die beiden betreiben seit über 20 Jahren mit viel Liebe ein Kleinod mitten in der Josefstadt: „klettenheimers Klein KunstCafé“, in dem ganz große Kunst geboten wird.

von Elisabeth Hundstorfer

So unscheinbar das kleine Theater von außen wirken mag, so spektakulär ist es innen drinnen, und das ist den beiden Masterminds zu verdanken. Warm ums Herz wird einem schon beim Betreten der Räumlichkeiten in der Lederergasse 17. Herzlich empfangen wird man von Marie Mandelbaum, die den Kartenverkauf und die Tischzuweisung organisiert. Jörg Klettenheimer macht den Dienst hinter der Bar – mit Wein und Brötchen nimmt man Platz rund um einen kleinen Tisch. Klein auch der Zuschauerraum und die Bühne. Alle Plätze sind besetzt und schon stehen die beiden auf der Bühne. Marie ist in die Rolle eines Richters im Kostüm aus dem 18. Jahrhundert geschlüpft und Jörg verkörpert den Baron Münchhausen.

Es ist nicht zu eng, aber es beschleicht einen der Gedanke, diese Aufführung würde viel mehr Publikum vertragen und auch die Künstler selbst agieren, als würden sie auf einer großen Bühne stehen – auch ihnen würde man mehr Platz für ihr Spiel wünschen. Die Klettenheimers auf der Bühne: ein ganz besonderes Erlebnis für alle, die gute, abwechslungsreiche Unterhaltung schätzen. Wir haben mit Marie Mandelbaum über Anfänge, Zukunftspläne und das Theatermachen gesprochen. Sie wurde schon als Studentin am Max-Reinhardt-Seminar von Claus Peymann ans Burgtheater geholt und auch Jörg war unter Peymann an der Burg engagiert. Doch kennengelernt haben sich die beiden schon viel früher. Marie wurde von ihrem Cousin, auf dessen Kinder sie immer wieder aufpasste, eingeladen, weil dieser einen befreundeten Schauspieler aus Deutschland zu Besuch hatte. „Mir wurde gesagt, ich soll von meiner Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar erzählen, der junge Mann aus Karlsruhe würde sich dafür interessieren. Man wollte uns verkuppeln. Wir sind aber nicht gleich zusammengekommen“, amüsiert sich Marie Mandelbaum über ihre erste Begegnung mit „Kletti“, wie sie ihren Mann – übrigens auch auf der Bühne – liebevoll nennt.

Und wie kam es dazu, ein eigenes Theater zu gründen? „Ich war in Amerika und habe Whoopi Goldberg in einer One-Woman-Show gesehen, in der sie verschiedene Frauenrollen verkörperte. Das war großartig und hat mich sehr beeindruckt. Zurück in Wien begann ich erste Texte zu schreiben. Auch meine Rolle als Anna in ,Anna & Anna‘ am Theater Scala war ein weiteres Bausteinchen. Die Atmosphäre der Kleinkunst der 1930er hat mir sehr gefallen. Ich hatte immer das Gefühl, beim Regietheater kommt ein Spektrum von mir zu kurz. Es wird dir immer gesagt, was du zu tun hast. Beim Libro ist mir dann das Buch ,Wie mache ich mich selbstständig‘ in die Hände gefallen. Es hat sich sozusagen das eine in das andere gefügt.“ 1997 kam die Idee eines Theater-Cafés und Marie Mandelbaum legt 1998 in Wien die Befähigungsprüfung für das Gastgewerbe ab und machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Lokal. Lange war die Suche erfolglos, doch dann geschah es: „Ich hatte eine Eingebung – entlang der 13A-Linie würde mein Traumlokal liegen.“ Und so war es. „Ich fuhr mit dem Bus und entdeckte ein Haus, auf dessen Fenster im Erdgeschoß stand: ‚Zu vergeben.‘ Wir haben einen Kredit aufgenommen, das Lokal für unsere Bedürfnisse adaptiert und im Dezember 2000 mit ‚Sweet Dreams‘ eröffnet.“ Mit dieser One-Woman-Show in fünf Episoden mit Songs von William Blake wurde der Traum vom eigenen Theater wahr. „Ich stand alleine auf der Bühne“, erzählt Marie, „und Jörg stand am Lichtpult. Am Anfang hatten wir oft nur zwei, drei Leute im Zuschauerraum. Wir haben sechs Abende in der Woche gespielt. Heute sind wir so gut wie immer ausverkauft. 70 Prozent unserer Besucher:innen sind ein treues Stammpublikum. Wir spielen an drei Abenden – immer Donnerstag, Freitag, Samstag.

Collage von verschiedensten Theater Bildern

Große Kunst in Klettenheimers Klein-KunstCafé

Das zweite Stück war ,Hamlet’ da stand dann Jörg alleine auf der Bühne und ich machte die Technik. Wir wollten aber gemeinsam auf der Bühne stehen und das setzten wir mit dem dritten Stück ,Georges und Marie‘ um. Die Musik stammt immer von mir, das ist meine große Leidenschaft. Ich komponiere am Klavier. Ich habe – zum Glück noch vor Corona, dann durfte man ja nicht reisen – in London eine dreijährige Ausbildung für Musiktheater für Komponisten gemacht. In England ist das Niveau sehr hoch und wenn man in ein Musical geht, ist man überwältigt, wie gut das sein kann. Jörg macht die Liedtexte. Wir vermischen alle Genres und machen immer etwas anderes. Wir spielen circa sechs Monate ein Stück – dann ist Pause und im Herbst starten wir mit einer neuen Produktion. Ich kann heute noch nicht sagen, was wir im kommenden Herbst auf die Bühne bringen werden. Der Schreibprozess dauert sehr lange.

Wir machen alles selbst. Schreiben, komponieren, Klavier spielen, singen, ja sogar die Kostüme und die Technik. Da kann eine kleine Fernbedienung in der Hosentasche schon Wunder bewirken.“ Und was wünscht sich die Musiktheatermacherin in der Zukunft? „Wir halten nach einer größeren Location Ausschau. Wir brauchen eine größere Bühne. Ich will auch mal mit einer Band auf der Bühne stehen. Nach über 20 Jahren platzen wir auf unseren 108 Quadratmetern aus allen Nähten. Es ist schön, wenn es intim ist, aber eng sollte es nicht sein. Und wir haben so einige neue Ideen, die man nur auf einer größeren Bühne gut umsetzen kann. Wenn jemand geeignete Räumlichkeiten – ab 250 Quadratmeter – hat oder kennt: Bitte melden!“  Natürlich am liebsten in der Josefstadt!

Das Münchhausen Projekt – Eine Phantasie

Zwei Autoren im Clinch. Trennung steht im Raum. Münchhausen nervt. Gewaltig. Und das Leben stellt uns alle vor alte Neuigkeiten, die man auf Dauer nicht ignorieren kann und will. Ein nagelneues Stück – mit Poesie und Musik, einer Prise Schabernack und zum Drüberstreuen ein paar ernsthaften Überlegungen und einigen durchaus flugfähigen Phantastereien.

▶ Bis 29/Apr/2023, Do–Sa, 20h. klettenheimers KleinKunstCafé. 8., Lederergasse 17a.
+43 1 4025478, karten@klettenheimers.com  www.klettenheimers.com

Ausgabe 01/2023