Leben in der und für die Gemeinschaft

Mit viel Engagement und einer, wie sie selbst sagt, „guten Goschen“ führt Hedi Ströher Interessierte durch den Bezirk

Von Sandra Schäfer

 – in versteckte Innenhöfe und auf den Spuren von so manchem Literaturgenie. Im Mittelpunkt stehen für die überzeugte Feministin Familie und Kirche. Es ist nicht das erste Interview, das Hedi Ströher in ihrer Wohnung in der Florianigasse gibt. Unter anderem hat die heute 92-jährige je sechsfache Groß- und Urgroßmutter (ein siebtes Urenkerl ist unterwegs) für das Oral-History-Projekt der Österreichischen Mediathek ausführliche Einblicke in ihr Leben gewährt.

Geboren 1930 als Tochter eines Ärztepaars verbrachte sie die ersten Jahre in der Nähe des Rathauses im ersten Bezirk. Volksschule und Gymnasium besuchte sie mit kriegsbedingter Unterbrechung in der Lange Gasse. Nach dem Studium der Naturgeschichte, das sie mit dem Doktorat (sub auspiciis!) abschloss, war sie Assistentin am Institut für Biologie der Medizinischen Fakultät. Nach ihrer Heirat 1953 verlagerte sich ihr Lebensmittelpunkt vollständig in die Josefstadt: Mit ihrem Mann, einem TU-Professor, zog sie in die Alser Straße. Kennengelernt hatte sich das Paar in der Schottenpfarre, wo Hedi Ströher auf Anregung einer Freundin eine 60-köpfige Jugendgruppe leitete. Ihrer Arbeit für die Kirche blieb sie bis heute treu – von Vorbereitungsarbeiten für die Messe bis hin zur Kommunionsspenderin, zu dem ist sie freitags immer in der Frauengruppe der Piaristenkirche Maria Treu anzutreffen.

Zu den Piaristen kam sie 1969, als die Leiterin der katholischen Frauenbewegung Wien sie ansprach, Mütterseminare abzuhalten. Es folgten Gesprächsrunden, Vorträge und Gründungen vom Bastel- bis zum Seniorenklub. „Alles Sachen, die von uns Frauen ausgegangen sind“, wie sie auch heute gegenüber dem Pfarrer gerne betont. Obwohl die Mütterseminare nicht mehr stattfinden – „diese hörten auf, als die jungen Frauen nach der Geburt bald wieder außer Haus arbeiten gingen“ –, ist die Josefstädterin, die sich selbst als Feministin bezeichnet, heute noch regelmäßig mit unterschiedlichen Gruppen im Achten anzutreffen. Im Rahmen von Innenhofführungen zeigt sie Interessierten versteckte Juwele. Das Wissen dafür hat sie sich über die Jahre selbst angeeignet. Besonders gefällt ihr, dass der Zusammenhalt im Bezirk nach und nach gewachsen ist. Institutionen wie die Kirche, die „Nachbarschaftshilfe“ und der „Achtsame 8.“ stärken für Hedi Ströher die fast dörfliche Gemeinschaft.

Aktuell ist sie damit beschäftigt, mit dem „Achtsamen 8.“ Transporte für kranke und ältere Menschen zur Messe und Krankensalbung in der Kirche zu organisieren. Besonders wichtig ist ihr der Besuch von einsamen Menschen.  Sie selbst erhält regelmäßig Besuch von ihrer Familie. Bei großen Zusammenkünften, bei denen sie früher bis zu 18 Personen bekochte, konzentriert sie sich nach dem Tod ihres Mannes vor zwei Jahren auf das Backen, eine Beschäftigung, die sie – neben Musik und Literatur (vor allem Doderer und Bernhard) – sehr genießt.

Ausgabe 04/2022