Maria Franc: Pionierin am Schlesingerplatz

Die erste Bezirksvorsteherin Wiens war eine Josefstädterin. Maria Franc machte Anfang der Sechzigerjahre als ÖVP-Mandatarin im roten Wien Karriere. Nach ihr stand im achten Bezirk erst 1998 wieder eine Frau an der Bezirksspitze. Über den Aufstieg einer ehemaligen Schuhverkäuferin „neben allen Hausfrauenpflichten“.

von Astrid Kuffner

Doppelte Sensation: Maria Franc wurde im Dezember 1959 in ihrem Wohnbezirk zur ersten Bezirksvorsteherin Wiens gewählt – als ÖVP-Mandatarin im roten Wien. Nach einer Periode (1959 bis 1964) zog sie sich von der Spitze zurück, doch ihr Engagement reichte weit über die Amtspremiere hinaus.

Die „Neue Illustrierte Wochenschau“ schrieb am 21. Februar 1960: „Zum Jahresende gab es im Wiener Bezirk Josefstadt eine Sensation, die von Männern vielleicht mit skeptischem Achselzucken und von den Frauen mit einem kleinen Triumphgefühl aufgenommen wurde … Maria Franc (ist) Wiens erster und einziger weiblicher Bezirksvorsteher.“

Geboren am 25. September 1906 in Wien, besuchte sie die Handelsschule und arbeitete ab 1922 in der Schuhhandelsfirma Delka. Ihr politisches Engagement begann 1934 mit dem Wechsel ins Büro der Christlichen Gewerkschaft mit Sitz in der Laudongasse 16, wo sie auch ihren Mann Hans Franc kennenlernte. Bis zur Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich 1938 war sie Buchhalterin und Kassierin, danach wieder bei Delka angestellt. Mit der Geburt von Tochter Johanna und ihrem gerade eingeschulten Sohn Karl blieb sie ab 1945 zu Hause und half ihrem Mann nach Kriegsende beim Aufbau eines Unternehmens. Ehrenamtlich kümmerte sie sich in der Pfarre Alser Vorstadt um Ausgebombte, Alte, Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer. Mit den Gemeinderatswahlen kehrte Franc 1950 als Bezirksrätin in die Politik zurück.

Ihr karitatives Engagement blieb in der ÖVP-Bezirkspartei nicht unbemerkt und so wurde die damals 44-Jährige 1950 als Vorstand für das Fürsorgeamt Wien-Josefstadt nominiert. Zehn Jahre lang betreute sie Arme, Alte, Flüchtlinge und Hungernde und stellte mit Ausdauer und Geduld Geld und Sachspenden auf.

Zu ihren Agenden als Bezirksvorsteherin gehörten die Vergabe von Konzessionen, Verleihung von Titeln und Staatsbürgerschaften, die Beleuchtung, Straßenanlagen und Parks. Sie kümmerte sich um Bezirksveranstaltungen im Festwochenprogramm und weiterhin um die Fürsorge. Zu den Amtsstunden am Schlesingerplatz kamen Abendtermine, und das Erfüllen der „Hausfrauenpflichten“. Die Frage nach Freizeitgestaltung wies sie im Artikel aus 1960 als „völlig sinnlos“ zurück. Ihre Zerstreuung sei ihre Familie, Urlaub mache sie in Gösing an der Mariazellerbahn. Die Entwicklung ihrer Kinder hätte sie durch die „schöne und interessante berufliche Karriere“ nie gefährden wollen.

Männliche Intrige ist bei ihrem Rückzug nicht auszuschließen. Sie schwieg dazu und wirkte weiter für Frauenagenden, Kultur und Wohltätigkeit im Bezirk. Ihr großes Herz hörte am 8. Jänner 1971 zu schlagen auf. Nach ihrem Tod wurde der Gemeindebau in der Lange Gasse 21–23 in Maria-Franc-Hof umbenannt.

 

▶ Dieser Text erschien erstmals in der Reihe „Kommunale Pionierinnen“: www.staedtebund.gv.at/oegz

Zwei weitere Frauen schafften es seither an die Spitze der Josefstadt, beide ebenfalls von der ÖVP:
Margit Kostal (Juni 1998 bis November 2005)
Veronika Mickel-Göttfert (November 2010 bis Dezember 2020)

Ausgabe 01/2023