Von Zentralanatolien in die Josefstadt

Hakan Ekici erzählt, wie er im Achten heimisch geworden ist und jetzt ein Uhrenfachgeschäft betreibt.

von Norbert Mersich

ein Name ist Hakan E k i c i – Emil, Kaufmann, Ida, Caesar, Ida“, buchstabiert Herr Mag. Ekici seinen Namen, „ich heiße ja nicht Müller. Ich lebe seit 31 Jahren in Wien, habe hier Politikwissenschaft und Publizistik studiert. Nach meinem Studium habe ich vier Jahre in der türkischen Botschaft als Berichterstatter gearbeitet. Ich war zuständig für EU- Fragen, die Aufnahme der Türkei in die EU, das waren meine Themen“, sprudelt es sofort aus unserem Gesprächspartner hervor.
Wieso es ihn gerade nach Wien verschlagen hat? „Ich komme aus Kirsehir, genau in der Mitte der Türkei. Mein Vater wollte, dass ich sein Geschäft übernehme, aber ich habe gesagt: ,Njet.‘“ Wieso gerade „njet“? „Meine Mutter ist Tscherkessin, das ist eine kleine Volksgruppe in Russland, die im 19. Jahrhundert von den Zaren vertrieben wurden, und viele von ihnen kamen in das Osma- nische Reich.“ Sein Vater drückte ihm ein Startgeld in die Hand und sagte: „Geh nach Europa – vielleicht gefällt es dir dort.“
Neben dem Studium arbeitete Herr Ekici sieben Jahre im Theater in der Josefstadt als Billeteur und verkaufte Programmhefte, etwa an die Bürgermeister Helmut Zilk und Michael Häupl. „Ich habe Otto Schenk kennengelernt, Elfriede Ott, Kurt Sobotka oder Herbert Föttinger, der war damals ein junger Schauspieler.“
Nach Abschluss des Studiums fand Hakan Ekici eine Anstellung in der türkischen Botschaft. Zu seinen Aufgaben gehörten Berichte darüber, was österreichische Politiker über eine Aufnahme der Türkei in die EU denken. Seine Berichte fanden durchaus Resonanz: „Es hat schon einige Male gekracht zwischen der Türkei und Österreich und zu diplomatischen Verstimmungen geführt“, erzählt Ekici heute schmunzelnd, wird dann aber gleich ernst. „Wenn sich österreichische Politiker abschätzig über ,die Türken‘ geäußert haben, hat mir das sehr wehgetan, es hat mich traurig gemacht, zornig und manchmal kraftlos.“

@Gabriele Lux


Es war auch schmerzhaft, als eine Nachbarin ihn anfangs beinahe tagtäglich mit strenger Miene fragte: „Ach, sagen Sie mal, woher kommen Sie?“ Heute ist er mit seinen Nachbarn glücklich und sie sind glücklich mit ihm, wie er zufrieden feststellt. Die vielleicht nett gemeinte Bemerkung „Du bist aber anders als die anderen Türken“ hat für ihn einen bitteren Beigeschmack, geht damit doch eine Abwertung von Menschen einher. Viele Türken würden in Ghettos leben, die müsse man öffnen: „Wir müssen uns gegenseitig kennenlernen … Es ist so banal – wir sollten uns Schritt für Schritt näherkommen“, lautet sein Credo.
Aber weltweit sei genau das Gegenteil der Fall. Es ist für ihn unverständlich, dass sich die Großmächte gegenseitig bedrohen: „Wir kämpfen, wir streiten, wir feuern Raketen ab. Wir müssen aufhören, weil es in eine böse Richtung geht. Auf Knopfdruck kann alles weg sein. Wollen wir das?“ (Anm.: Das Gespräch wurde am 25. Jänner geführt, also einen Monat vor Beginn des Ukraine-Kriegs.)
Wenn wir uns den Ausländerhass vor Augen führen, meint Hakan Ekici, dann erkennen wir, dass wir nichts gelernt haben aus den Kreuz- zügen und den Weltkriegen, den Millionen Toten. „Die Spuren dieser Hasspolitik sehen wir noch immer, auch wenn wir die Leichen nicht mehr riechen“, man müsse nur diese „unangenehmen Äußerungen“ aus den verschiedensten Ecken ernst nehmen. Die größte Verantwortung liege deshalb bei den Menschen, die uns regieren.
Wie lange es gedauert hat, bis er sich in Wien heimisch gefühlt hat? Das war etwa zwei bis drei Jahre nach Beginn des Studiums. Bei einem Heimaturlaub vermisste er Wien. „Als ich dort am Strand lag oder in einem Kaffeehaus war, das war für mich fremd, anders. Da habe ich die Sehnsucht nach dieser Stadt gespürt. Allein der Gedanke, Wien zu verlassen, tut mir weh. Die Stadt, in der man geboren wurde, nennt man Geburtsstadt. Aber wo man sich wohlfühlt, ist die Heimat.“
Nach seiner Tätigkeit für die türkische Botschaft und mehreren beruflichen Stationen in der Wirtschaft reifte in ihm der Gedanke, sich selbstständig zu machen. Nach einigen Jahren führte ihn die Suche nach einem Geschäftslokal in die Josefstädter Straße. „Sehen Sie, ich bin durch und durch Josefstädter.“ Dann traf er wieder die Leute von früher, die Abonnenten aus dem Theater, denen er damals die Programmhefte verkauft hatte. Beinahe hätte er ihnen gesagt: „Ich kenne Sie, Sie sitzen immer Reihe 5, Platz 7.“
Heute verkauft Hakan Ekici in seinem Geschäft in der Josefstädter Straße 3 Uhren, Gold, Silber und Schmuck. Kann er dem Thema Nachhaltigkeit, dem diese Ausgabe von „derAchte“ gewidmet ist, etwas abgewinnen? „Natürlich, ich übernehme auch Reparaturen.“

▶ Info: www.feel-heel.at

Ausgabe 02/2022


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