„Was stehst du so alleine?“

Eine hochinteressante Audiostation mit Findelkind-Liedern ergänzt die umfangreiche Schau „Vor Schand und Noth gerettet?!“.

Das Bezirksmuseum Josefstadt zeigt die eindrucksvolle Geschichte der ehemaligen Institutionen Findelhaus und Gebäranstalt sowie die Matriken der Alser-Vorstadt auch aus dem Blickwinkel der sogenannten Findelkinder im sozial- und gesellschaftshistorischen Kontext.

Die Findelkind-Lieder wurden von dem in der Josefstadt lebenden Musiker Martin Spengler und der großartigen Sängerin Manuela Diem eingespielt. Sie sind auch vor dem Hintergrund spannend, dass Findelkinder immer wieder zu Figuren kultureller Auseinandersetzung wurden – ob in Romanen, Theaterstücken oder Liedern. Diese waren teilweise stark emotional aufgeladen, Findelkinder und ihr Schicksal wurden vielfach „mythisiert“ oder – was eher der Realität entsprach – als Leidensgeschichte erzählt. Die Lieder „Die Sonntagsruh“ und „Der Findelbua“ sind Beispiele dafür. Für die Audio-Station haben Martin Spengler und Manuela Diem fünf historische Wiener „Findelkind-Lieder“ neu interpretiert. „Am meisten hat mich ,Die Sonntagsruh‘ berührt. Hier heißt es: ,Der Mensch, der von fremder Barmherzigkeit lebt, der braucht an an Suntag kan Ruah!’ Das ist unglaublich brutal und bringt die vorherrschende Sozialrealität genau auf den Punkt. Insgesamt hat mich auch die musikalische Herausforderung überrascht: Es sind sehr spannende Melodien, aber teilweise sehr schwer zu singen“, so der Musiker Martin Spengler.

Die finanzielle Situation von Müttern, die eine Erhaltung von Kindern oft untragbar machte, aber auch die fehlende Verantwortungsübernahme der Väter wird in den Liedern „Mädel, warum weinest du?“ und „Was stehst du so alleine?“ empathisch thematisiert. In der letzten Strophe des Liedes „Da hört sich alles auf “ wird die Abgabe von Kindern im Findelhaus hingegen als selbstsüchtige Tat der Mutter in einer dekadenten Gesellschaft dargestellt.

Die Ausstellung „Vor Schand und Noth gerettet?!“ ist bis 30. März 2022 im Bezirksmuseum Josefstadt zu sehen und thematisiert das Gebärhaus und Findelhaus anhand von rund hundert historischen Objekten, drei- dimensionalen Grafiken und Reproduktionen aus über 15 wissenschaftlichen Institutionen.

Ein umfassendes Rahmen- und Vermittlungsprogramm beschäftigt sich mit interdisziplinären Fragen der Frauen- und Geschlechter-, Medizin- und Sozialgeschichte bei der Kuratorinnen-Führung mit Anna Jungmayr.

▶ Bis 30/03/2022.
Bezirksmuseum. 8., Schmidgasse 18
08/09, 27/10, 17/11/2021, 18h: Kuratorinnen-Führung mit Anna Jungmayr. Anmeldung: bm1080@bezirks- museum.at

 

Nachts im Museum

Am Samstag, den 2. Oktober, geht von 18.00 bis 01.00 Uhr in ganz Öster- reich, und natürlich auch in der Josefstadt, die „Lange Nacht der Museen“ 2021 über die Bühne – mit nur einem Ticket.

Die Ausstellung „Vor Schand und Noth gerettet?!“ im Bezirksmuseum bie- tet um 18.30 als Highlight eine Führung durch die Ausstellung und durch das Matrikenarchiv der Pfarre Alser Vorstadt. Bis 22.30 werden laufend Museumsführungen angeboten. Im Volkskundemuseum gibt es um 20.00 und 22.00 Uhr Kuratorinnenführungen. Als Mitternachtseinlage gibt es eine Performance von Anna Vasof: „Popcorn Free Throws“ ist ein Treffen von Popcorn und Basketball auf dem Feld der Kunst.

▶ Lange Nacht der Museen: 02/10/2021, 18–01h

Ritt durch die Passage

Diese Schau im Volkskundemuseum widmet sich der einzigartigen Be- ziehung zwischen dem Menschen und einem Tier, das unsere Lebens-, Arbeits- und Fortbewegungsformen entscheidend mitbestimmt hat. Die zahlreichen Darstellungen zeigen das Pferd als williges Arbeitstier, Kriegs- kameraden und Stolz seiner Besitzer:innen. Beim imaginären Ritt durch die Passage treffen die Besucher:innen auf Übergangsriten, die Passage als Lektion der Hohen Schule des Reitens und die Hoffnung auf himmlische Wunder.

▶ 21/09–05/12/2021. Volkskundemuseum Wien
8., Laudongasse 15–19, www.volkskundemuseum.at

Zwischen den Dingen

Die gegenwärtige Wiederentdeckung von Dingen als Handlungsträger legt den Fokus auf ihre Materialität und wie diese nicht nur Ergebnis mensch- licher Intentionen ist, sondern auch menschliches Handeln lenkt. In der Ausstellung „Zwischen den Dingen“ sind Kunstwerke versammelt, die ge- wöhnliche, unscheinbare oder obsolete Alltagsgegenstände ins Zentrum rücken. Von Künstler:innen in den Raum gestellt, verlieren diese Dinge ihre Eindeutigkeit und werfen Fragen auf: Was bedeuten Gegenstände für uns? Wie prägen sie unseren Alltag? Und wichtiger noch: Was verbindet uns mit ihnen? Was trennt uns?

▶ 10/09–21/11/2021. Volkskundemuseum Wien
8., Laudongasse 15–19, www.volkskundemuseum.at

gaunz aundas

Musik-Empfehlung: „Doch es weht ,drausst auf da Stroßn‘ ein neuer Wind, der ,waht eina de Liagn‘ und Gräben brechen auf in der wiener- liedseligen Verbindlichkeit dieser Stadt. Aber ,Es könnt oba aois gaunz aundas sein‘ ist auch Utopie, das Leuchten einer anderen, besseren Welt“, heißt es im Pressetext von „Es könnt oba aois gaunz aundas sein“, dem bislang letzten Album von Martin Spengler und den foischn Wienern, erschienen im März 2020. Wie bei den Findelkind-Liedern im Bezirksmuseum wird Martin Spengler dabei von Manuela Diem als Sängerin begleitet. Reinhören lohnt sich.

▶ www.martinspengler.at