Wir fliegen aus …

… und kommen wieder zurück!

In den letzten Monaten gingen die Wogen hoch. Das Musische Zentrum Wien in der Zeltgasse 7, das seit 40 Jahren einen wesentlichen Fixpunkt in der außerschulischen Bildung der Josefstadt darstellt, solle geschlossen werden, hieß es.

Von Elisabeth Hundstorfer

Nein!!! Es wird nicht geschlossen, sondern saniert. Darum steht die Umbauzeit unter dem Motto: „Wir fliegen aus … und kommen wieder zurück!“

Kaum jemand, der in der Josefstadt aufgewachsen ist, hat nicht seine ersten künstlerischen Gehversuche im Musischen Zentrum Wien gemacht. Aus ganz Wien kommen die jungen Teilnehmer:innen hierher, um musikalische Früherziehung zu genießen oder darstellendes Spiel, Tanz oder ein Instrument zu erlernen. Das Angebot ist betont niederschwellig – es gibt keinerlei Zugangsbeschränkungen wie etwa Aufnahmeprüfungen. Kinder und Jugendliche können sich in der Zeltgasse in ihrem ganz eigenen Tempo künstlerisch entwickeln.

Lange war der Grund, auf dem das Musische Zentrum Wien heute steht, landwirtschaftlicher Boden und gehörte zur Vorstadt Altlerchenfeld. Das erste Gebäude entstand 1785. 1881 erwarb die Gemeinde Wien das Areal und ließ von Stararchitekt Theophil Hansen (Parlament, Musikverein, Börse, …) eine Bürgerschule planen. Das 1884 fertiggestellte Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. 1955 zog die heutige VHS Zeltgasse ein und 1962 wurde im Haus das größte Jugendzentrum Wiens eröffnet.

Das Musische Zentrum Wien ist bis heute Teil des Vereins Wiener Jugendzentren. Nach seiner Eröffnung entwickelte sich das Haus der Jugend rasant zu einer Eventlocation: Filmvorführungen, Theaterinszenierungen, Lesungen, Tanzabende, aber auch Tischtennis-, Modellbau- und Amateurfunkerklubs hielten in den ehrwürdigen Mauern Einzug. Und selbst die Jugendzeitschrift „Rennbahn-Express“ wurde hier zeitweilig produziert.

zwei Bilder; links drei Kinder von hinten in Bewegung stehend; rechts Kinder auf Bühne mit aufgespannten Regenschirmen, von schräg hinten fotografiert

© Thomas Wielander; MZW

Schon in den 1980ern war eine bauliche Sanierung des Hauses notwendig. Zwei Jahre lang wurde modernisiert. Heute sind ebenfalls zwei Jahre geplant, um die Toiletten zu sanieren, einen Lift einzubauen und das ganze Haus barrierefrei und gemäß den aktuellen Brandschutzbestimmungen zu gestalten. Voraussichtlich im Frühjahr 2024 soll der Betrieb wieder aufgenommen werden.

Offiziell wurde das Musische Zentrum Wien 1976 von Doris Tarlowski, einer ausgebildeten Theater- und Tanz-Pädagogin, im 15. Bezirk gegründet. Im Herbst 1982 zog es an den heutigen Standort in die Zeltgasse 7. Speziell unter der kreativen und engagierten Leitung (seit 2011) von Gudrun Schweigkofler Wienerberger hat das Zentrum einen enormen Aufschwung genommen. Über 1.300 Kinder und Jugendliche pro Schuljahr wurden in den letzten Jahren musikalisch, tänzerisch und mit theaterbezogenen Aktivitäten betreut.

Das Musische Zentrum versteht sich als Schnittstelle zwischen offener Jugendarbeit und Kunstvermittlung. „Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern“, erläutert Leiterin Gudrun Schweigkofler Wienerberger. „Wir haben aber aufgrund des eingeschränkten Betriebs jetzt Zeit, unser Angebot neu zu überdenken, um mit neu adaptierten Formaten besser auf die aktuelle Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen eingehen zu können. Corona hat auch bei den Jüngsten vieles verändert, darüber müssen wir nachdenken.“ Nur vier Minuten von der Zeltgasse entfernt, in der Döblergasse 2 im 7. Bezirk, gibt es jetzt ein Ausweichquartier, das regelmäßig als Anlaufstelle besetzt sein wird. Hier und an anderen temporären Standorten in der Umgebung wie dem Volkskundemuseum, einem Tanzstudio in der Pfeilgasse, einem Musikstudio in der Lange Gasse, im Turnsaal der Volksschule Zeltgasse oder im Tiger- und Schönbornpark wird das Kursprogramm weiter angeboten.

▶ Musisches Zentrum Wien. 7., Döblergasse 2. +43 1 4083250 musisches-zentrum@jugendzentren.at www.musisches-zentrum.at

Collage aus vier Bildern mit Kindern beim Musizieren

Foto re. o. © Wiener Jugendzentren

Außenstellen

Die Wiener Volkshochschulen (VHS) werden die Musik-Einzelkurse des Musischen Zentrum Wien übernehmen. An den Außenstellen im 11., 15. und 22. Bezirk soll gewährleistet werden, dass sie an den Orten stattfinden, wo sie bisher stattgefunden haben. Rund um den Standort des Musischen Zentrum Wien im 8. Bezirk werden die VHS-Standorte Schmidgasse im 8. Bezirk, die Kunst-VHS im 9. Bezirk und die VHS Mariahilf Kurse übernehmen. Es wird angestrebt, dass die Kinder und Jugendlichen weiterhin von den Künstler:innen unterrichtet werden, an die sie gewöhnt sind. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die betreffenden Künstler:innen bereit sind, in das Organisationssystem der VHS zu wechseln.

▶ Die Anmeldung zu den Kursen erfolgt ausnahmslos über die VHS, entweder über die Website www.vhs.at oder persönlich an den VHS-Standorten.

 

FAQ zum Umbau

Wird es während der Umbauphase Angebote des Musischen Zentrums Wien geben?

Ja – das Angebot ist auf der Website des Zentrums zu finden. In den zwei Jahren des Umbaus, dieser „Zwischenzeit“, wird es vielfältige Workshops, Laboratorien, Vermittlungsangebote, Diskussionsveranstaltungen, regelmäßige und zeitlich abgegrenzte Kunstprojekte und -produktionen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene geben. Der Fokus liegt dabei auf Gruppenangeboten in den Bereichen Tanz, Theater, Musik, bildende Kunst und Literatur.

▶ Alle Fragen werden auf der Website unter „FAQ Umbau“ beantwortet. Info: www.musisches-zentrum.at

 

Was 2024 passiert

Das Musische Zentrum Wien kommt zurück! Die Zeit des Umbaus, die „Zwischenzeit“, wird genutzt, um neue Formate zu entwickeln und auszuprobieren. Die Kinder- und Jugendstrategie der Stadt Wien mit dem Fokus auf aufsuchende Kulturarbeit bildet dabei eine Grundlage, die Einbeziehung vieler Vernetzungspartner:innen in der Kunst und in der Nachbarschaft eine weitere. Das Angebot wird auch auf die in der „Zwischenzeit“ gewonnenen Erkenntnisse aufbauen. Zudem werden Künstler:innen, Vereine und Kunstinstitutionen die Räume vermehrt für ihre kunstvermittelnden Angebote bzw. Kooperationen nutzen können.

Ausgabe 02/2022