„Zum Wohlstand gehört mehr als ein BIP“

Auch wenn es im Alltagstrubel oft untergehen mag, ist die Josefstadt kein abgeschlossener Kosmos, sondern eingebettet in eine Welt, die manchmal gefühlt aus den Fugen gerät.

Von Sophia Coper

Einen Blick über die Bezirks- und Stadtgrenzen hinaus wagte die Österreichische Hagelversicherung bei einem sommerlichen Pressegespräch über die bundesweite Boderversiegelung und deren klimatische Auswirkungen.

Brechen wir’s runter: Zubetonierter Boden bedeutet Verlust an Biodiversität und weniger Möglichkeiten, Wasser zu speichern, CO2 zu binden und Agrarwirtschaft zu betreiben. „Land ohne Äcker – zukunftslos“, meinte Vorstandsvorsitzender Kurt Weinberger in Anlehnung an die Bundeshymne. Wer mit dem Finger auf Brasiliens Regenwälder zeigt, muss erst einmal vor der eigenen Haustür kehren: Österreich sei ruhmloser Spitzenreiter in der Europäischen Union, jeden Tag werde eine Fläche von 16 Fußballfeldern verbaut, erklärte Weinberger, dem die politischen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte übel aufstoßen. Ostösterreichische Seen ohne Wasser machen heuer traurige Schlagzeilen. „Zum Wohlstand gehört mehr als ein BIP“, so Weinberger weiter.

Auch für den Meteorologen Simon Tschannett besteht dringender Handlungsbedarf: Angesichts des heißen Wetters sei es umso wichtiger, Städte nachzurüsten – schon ein paar Bäume in der Gasse vermögen es, die gefühlte Temperatur um bis zu 15 Grad zu senken. Es fehlen die wichtigen Kaltluftschneisen, die die frische Luft, die an Wiesen und Wäldern entsteht, in die Stadt lassen. In den 1980er- und 1990er-Jahren gab es durchschnittlich nur 6 Hitzetage mit über 30 Grad pro Jahr – jetzt werden jährlich 20 solcher Tage gezählt. Heuer waren es am 22. Juli bereits 25 Hitzetage – ein dramatischer Rekordwert!

Nachfrage aus dem Publikum: Wäre es nicht besser, die Ursachen zu bekämpfen, statt sich dem veränderten Klima anzupassen? Tschannett ist pragmatisch: Manche Entwicklungen seien nicht mehr umzudrehen, es gehe darum, Lebensqualität zu sichern — und sei es nur durch kulturelle Anpassung, wie etwa die Angewohnheit der hitzegeplagten Spanier zu übernehmen, Siesta zu halten.

Draußen vor der Tür fühlt man direkt die Realität der nächsten Jahre, die Sonne brennt erbarmungslos auf die — zubetonierte — Josefstädter Gasse. Zurück bleibt ein etwas frustrierter Blick in die Zukunft, aber auch der Eindruck, dass der Klimawandel nicht mehr als ferner Spuk abgetan wird. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, betonte Weinberger mehrmals die Dringlichkeit, jetzt zu handeln. Hoffen wir, dass es nicht zu spät ist.

Die Österreichische Hagelversicherung (mit Sitz in der Josefstadt) ist der Spezialversicherer von Naturkatastrophen in der Landwirtschaft in Österreich und fünf osteuropäischen Ländern. Das Unternehmen engagiert sich angesichts zunehmender Wetterextreme schon sehr lange für mehr Klima- und Bodenschutz.

www.hagel.at

Ausgabe 03/2022